Kulm - Marienkirche aus dem 13. Jahrhundert aus: www.ordensland.de Foto: Peter Pfaender





Die Kulmer Handfeste {1233}

Beiträge zum Leben Hermann von Salzas - eines bedeutenden Langensalzaers - Teil 35

Nachdem im Juni 1233 der Gaetakonflikt zwischen Kaiser Friedrich II. und Papst Gregor IX. beigelegt war, schwelte immer noch die Lombardenfrage zwischen beiden. Bereits am 5. Juni 1233 hatte Gregor den Kaiser zu einer Entscheidung gedrängt, die Friedrich am 12. Juni ausweichend beantwortete, indem er sich auf die Position zurückzog, er müsse die Rückkunft Hermann von Salzas abwarten, da derjenige über den für seine Entscheidungen wichtigen Kenntnisstand verfüge. Helmuth Kluger schreibt dazu: "Obwohl der Staufer sich in seiner Ehre [durch den Brief des Papstes vom 5. Juni 1233] als Schützer der Kirche verletzt fühlte und dies in einem Brief an den Kardinalbischof Rainald von Ostia unmißverständlich kundtat, wollte er vor einer endgültigen Stellungnahme doch noch die Ankunft des um diese Zeit vermutlich noch im Heiligen Land weilenden Hochmeisters abwarten, auf dessen Kenntnisstand in der Sache er nicht glaubte verzichten zu können". Warum Friedrich im Vorjahr Hermann von Salza überraschend von den Lombardenverhandlungen abzog, um ihn nach Palästina zu schicken, konnte nicht geklärt werden. Dieser Konflikt mit dem norditalienischen Städtebund hätte sich nicht von selbst gelöst, wie es bei Gaeta möglich war. Und das hatte Friedrich anfangs sicher unterschätzt.

Aus dem Sommer 1233 sind zwei Todesfälle erwähnenswert. Am 26. Juli starb sein früherer Wegbegleiter, Wilbrand von Oldenburg, und am 30. Juli wurde Conrad von Marburg ermordet.

Vor dem 14. August 1233 wird Hermann auf Sizilien mit dem Kaiser zusammengetroffen sein. Es gibt von diesem Tage einen Brief Friedrichs aus Palermo auf Sizilien an Gregor, mit dem er für sich und seinen Sohn [Conrad] die Bereitschaft erklärte, den von den päpstlichen Legaten gefundenen Kompromiss anzuerkennen. Interessant ist dabei, dass Friedrich in diesem Brief vermied, von dem verhassten Lombardenbund zu sprechen. Wegen der großen Bedeutung dieses Briefes war es extra eine Goldbulle. "Bei der Wichtigkeit der Angelegenheit mag Hermann von Salza trotz der Strapazen, die die Seereise ihm eben noch gebracht hatte, sofort nach der Ausfertigung der Goldbulle vom 14. August mit dieser zum Papst aufgebrochen sein, um sie mündlich zu erläutern." Das schreibt Willy Cohn zu diesem Ereignis.

Und so ist dann im August der Hochmeister nach Anagni gereist. Ob es mit dem Schiff, mit dem er aus Palästina kam, nach Napoli ging und von dort zum Papst, oder ob er über Land die ca. 1200 km geritten ist, konnte ich nicht herausfinden. Zeitlich war das zu schaffen. Er wird erst Mitte September bei Gregor gewesen sein. Beim Papst wurde wohl hauptsächlich die Lage in Preußen besprochen. Im Preußischen Urkundenbuch lassen sich eine Anzahl von Weisungen des Papstes zur Unterstützung des Deutschen Ordens in Preußen bis hin zur Gewährung eines Ablasses an die Kreuzfahrer finden. Adolf Koch schreibt dazu: "In Preußen bereiteten sich damals gerade große Dinge vor. Man stand am Beginn entscheidender Kämpfe und als eben zu Anfang Oktober der Papst seine Ermahnungen an das Kreuzheer zur Ausdauer im Kampfe und an die Dominikaner, welche die Gläubigen zur Unterstützung desselben unablässig auffordern sollten, vielleicht nicht ohne den Einfluss Hermann´s ergehen ließ, waren die Würfel schon gefallen." Er berichtet dann weiter von einem Brief Gregors an die preußischen Kreuzfahrer vom 12. Oktober 1233, in dem er ihnen Ablass verspricht, wenn sie vor der Kreuzpartikel adoriren [dt. sie anbeten], "die die Deutschen Brüder vom Hause St. Marien zum Besitze in Preußen haben, wie der Meister dieses Hauses persönlich uns berichtet hat." Damit kann wohl nur der Splitter vom Kreuz Jesu gemeint sein, den Hermann von Salza beim Venedigbesuch Friedrichs im März 1232 für seinen Orden geschenkt bekommen hatte. Das erwähnte Kreuzfahrerheer stand unter der Führung des Burghauptmanns Burchard von Magdeburg. Es war im Herbst 1233 auf dem Wege nach Preußen.

Zu diesem Zeitpunkt war der Hochmeister schon auf dem Weg nach Norden. Es gibt vom 28. Oktober eine Schenkungsurkunde Herzog Friedrichs II. von Österreich für den Deutschen Orden. Bei Marian Tumler steht dazu: "Zu Graz erhielt der Orden vom Herzog Friedrich II. die Kirche zur hl. Kunigunde geschenkt. Ihr Besitz war sehr bedeutend: sechs Dörfer, 8 Hufen sowie der Berg Predil." Ernestus Strehlke gibt dazu noch die Namen der Dörfer und Erdberg bei Wien als Ausstellungsort an. Graz und Wien lagen an der "Bernsteinstaße". Von Anagni bis Wien waren es ca. 1200 km, also ca. 25 bis 30 Reitertage.

Bei Marian Tumler gibt es für 1233 noch einen Eintrag über einen größeren Verkauf des Ordens, leider ohne genaues Datum. Dieser Verkauf betraf die Kirche St. Peter in Prag und einige Dörfer. Die frühere böhmische Königin Konstanze von Ungarn kaufte sie dem Orden ab. Die preußischen Aktionen des Ordens kosteten auch damals sicher viel Geld. Von Wien nach Prag brauchte man in dieser Zeit etwa 1 Woche, und es lag auch an der Bernsteinstraße. Von Prag über Breslau nach Thorn sind es ca. 600 km. So konnte Hermann von Salza bestimmt am 28. Dezember in der Gegend von Thorn im Kulmer Land gewesen sein. An diesem Tag wurde von Hochmeister Hermann von Salza und dem Landmeister Hermann Balk den neugegründeten Orten Thorn und Kulm die Kulmer Handfeste übergeben. Bei Willy Cohn sind die ersten Zeilen dieser wichtigen Urkunde aus dem Preußischen Urkundenbuch Nr. 105 abgedruckt: "Fr. Hermannus de Salza domus hospit. s. Marie Theutonicorum Ierosol. Magister et fr. Hermannus Balke eiusdem domus per Sclaviniam et Prusiam preceptor, totusque predicte domus conventus universis christifidelibus hanc paginam inspecturis salutem in vero salutary." Und im Schlesischen Urkundenbuch Band 2 von Winfried Irgang steht unter Nr. 55: "Hermann von Salza, Hochmeister des Deutschen Ordens, und Hermann Balk, Landmeister von Preussen, erteilen dem Land Kulm und speziell den Städten Kulm und Thorn ein Privileg [sog. Kulmer Handfeste]. Dabei behält sich der Deutsche Orden u. a. das Recht auf den Goldbergbau vor ita tamen, ut inventor auri, sive in cuius bonis inventum fuerit, idem ius habeat, quod in terra ducis Slesie in huismodi inventione talibus est concessum. 1233 Dezember 28. Thorn."

Über die persönliche Anwesenheit von Hermann von Salza im Dezember 1233 in Preußen gibt es unter den Historikern große Uneinigkeit. Adolf Koch und Willy Cohn haben sich für einen Aufenthalt ausgesprochen. Ich habe versucht, die Möglichkeit nachzuweisen. Auf Grund der außergewöhnlich geringen Daten ist es sehr schwer, die tatsächlichen Ereignisse darzustellen. Leider haben jedoch die Widersprecher der obigen These auch keine konkreten Argumente. So schreibt Wolfgang Sonthofen in "Der Deutsche Orden": "Die Culmer Handfeste trägt als einziges Dokument die Überschrift ~Hermannus von Salza~. Dies hat einige Historiker zu der Behauptung veranlaßt, er habe sie persönlich in Culm verkündet. Das ist mit Sicherheit nicht richtig. Hermann war niemals in Preußen. Die Urkunde ist von Hermann Balk sozusagen in seinem Gepäck mitgeführt und von ihm verkündet worden. Im Übrigen wird Hermann sie auch nicht allein ausgearbeitet, sondern geeignete Ritter bei der Abfassung hinzugezogen haben". So einfach kann man es sich auch machen. Da halte ich mich lieber an Adolf Koch, der in seinem Buch schreibt: "… eben weil die Regelung dieser Verhältnisse [in Preussen] so ausserordentlich wichtig war, hat sie Hermann von Salza selbst an Ort und Stelle in die Hand genommen." Im Jahre 1234 wird sich dazu noch einiges sagen lassen. Und darüber berichtet der nächste Teil.

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Dieter Deubner Bad Langensalza, den 08. Juni 2007