Zur Reise Hermann von Salzas durch Kleinarmenien, Cypern und Palästina - aus: Willy Cohn "Hermann von Salza"





Der Hochmeister reist für Otto IV. durch den Orient
{1211}

Beiträge zum Leben Hermann von Salzas - eines bedeutenden Langensalzaers - Teil 8

War Hermann von Salza in der ersten Hälfte des Jahres 1211 vor allem für seinen Orden tätig, verschaffte ihm ein Auftrag des Deutschen Kaisers Otto IV. die Möglichkeit, sich der großen Leidenschaft seines Lebens zu widmen, dem Reisen. Auf der Internetseite des Biographischen-Bibliographischen Kirchenlexikons fielen mir einige Eintragungen auf, die sich mit dieser neuen Aufgabe befassen. Da wird über eine kaiserliche Gesandtschaft unter dem Deutschordensmeister Hermann von Salza geschrieben, die 1211 nach Palästina, Armenien und Cypern aufbrach, um die Oberhoheit über die Kreuzfahrerstaaten sowie das cilikische Königreich zu erneuern und die ein militärisches Eingreifen vorbereiten sollte. Der Hildesheimer Domherr Wilbrand von Oldenburg hat in seinem "Itinerarium sancte terre" darüber berichtet. Bei www.mittelalter-genealogie ist unter "wilbrand von oldenburg bischof von paderborn" zu lesen: "Auf seiner 1211-1212 durchgeführten Pilgerfahrt erfüllte er [Wilbrand] auch vertrauliche diplomatische Missionen Kaiser Ottos IV. und Herzog Leopolds VI. von Österreich. So verhandelte er in Kilikien im Auftrag Otto IV. mit dem König von Jerusalem über die Frage eines neuen Kreuzzuges zur Eroberung des Heiligen Landes. Im "Itinerarium" unterstreicht Wilbrand von Oldenburg seine Kundschafterrolle durch Beschreibungen des fortikatorischen Zustandes von Befestigungen der Mamlüken." Willy Cohn hat in seinem Buch "Hermann von Salza" diesen Bericht sehr ausführlich verarbeitet, während andere Biographen ihn nur kurz erwähnt haben. So schreibt Dr. P. Marian Tumler - von 1948 bis 1970 selbst Hochmeister des Deutschen Ordens - in seinem Buch "Der Deutsche Orden im Werden, Wachsen und Wirken bis 1400": "Im Jahre 1211 unternahm er [Hermann von Salza] seine erste Visitationsreise, die ihn durch die Ordensbesitzungen im Orient und an den Hof des Königs Leo von Armenien brachte. Bei dieser Gelegenheit merkt man zum erstenmal, was sich später oft wiederholt, daß Hermanns persönliche Anwesenheit an einem Orte von großen Verleihungen für den Orden begleitet ist - ein Beweis für den Zauber, der von diesem Manne ausging, und von der ihn beseelenden Sorge um den Orden". Wilbrands Reisebericht im Buch von Willy Cohn könnte sowohl ein spannender Reiseroman über Urlaub in der Türkei oder auf Cypern als auch eine Schilderung der schwierigen Situation im auch heute noch immer nicht befriedeten Nahen Osten sein. "Der neue Meister des Deutschen Ordens mußte das Bedürfnis haben, sich von den Besitzungen der ihm unter-stellten Gemeinschaft durch eigene Anschauung ein Bild zu machen, soweit diese wenigstens im Orient gelegen waren. Es erwies sich daher als sehr passend, als am 25. August 1211 der Hildesheimer Domherr Wilbrand in Akkon eintraf, um eine Reise durch Armenien, Cypern und Palästina zu unternehmen. Diese eigenartige Reihenfolge des Reiseprogramms erklärt sich wohl daraus, dass der deutsche Gesandte in besonderer Mission an den Hof König Leos von Armenien reiste, der mit dem Deutschen Reiche in näheren Beziehungen stand. Wir dürfen annehmen, daß Kaiser Otto IV. diese Reise veranlaßt hatte, und wenn wir unter den Begleitern Wilbrands die Meister des Johanniter- und des Deutschordens finden, so mag sich das nicht nur aus ihren im Reisegebiet befindlichen Besitzungen erklären. Der Kaiser hatte wohl besonders den Deutschordensmeister aufgefordert, sich an dieser Reise zu beteiligen, um die Wirkung dieser Gesandtschaft nachdrücklichst zu unterstreichen. Auch Herzog Leopold VI. von Österreich hatte Wilbrand eine Mission anvertraut, die sich um den in Kürze zu unternehmenden Kreuzzug dieses Herrschers handelte. Das müssen alles Angelegenheiten gewesen sein, die für den Hochmeister des Deutschen Ordens von größter Bedeutung waren und ihn veranlaßten, für längere Zeit seinen Amtssitz in Akkon zu verlassen. Der anschauliche Bericht Wilbrands ist für das Leben Hermanns von Salza von Bedeutung, weil er uns ermöglicht den Deutschordensmeister von Ort zu Ort zu verfolgen und uns zu vergegen-wärtigen, welche Eindrücke auf den Geist des soeben in sein Amt eingeführten Herren wirkten. In der Einleitung zu seinem Bericht deutet Wilbrand nur an, daß er nicht als gewöhnlicher Pilger seine Fahrt ausführe, "sondern auch sonst mit nicht verwerflichen Werken umgehe und beschäftigt sei. Nicht also aus Aufge-blasenheit und eitler seelenverderblicher Anmaßung, sondern infolge dieser Erwägung gedenke ich von den heiligen Orden und Stätten zu berichten, die ich jenseits des Ozeans und im gelobten Lande in Begleitung der fürsichtigen und ehrbaren Männer, der Gesandten des Herzogs von Österreich, sowie auch des verehrungswürdigen Meisters des Hauses der Deutschen, Bruder Hermann von Salza, sorgfältig betrachtet habe". [Der Großmeister des Johanniter-Ordens war Garin de Montaigu, seit 1207 im Amt.] "Es ist anzunehmen, daß nach den großen Qualen, die Wilbrand sechs Wochen lang zur See erduldet hat und von denen er ausdrücklich spricht, er erst eine gewisse Zeit hat verstreichen lassen müssen, ehe er an die Fortsetzung der Reise ging. So dürfen wir den Aufbruch wohl in den Monat September 1211 setzen. Die Fahrt vollzog sich zuerst als Seefahrt an der Küste entlang, und die erste Stadt, die angelaufen wurde, war Sur [heute Tyrus genannt]. Auf die Reisenden machte der Libanon mit der Pracht seiner Zedern tiefen Eindruck, und das Hohe Lied wurde ihnen lebendig. An einem Brunnen, den man für den im Hohen Lied genannten hielt, sangen die Reisenden die Abendhymnen und den Wechselgesang "Brunnen der Gärten". Der nächste Haltepunkt war Sarafant, der weitere Sidon [früher Saida]. Nicht an jedem Orte konnte man das Schiff verlassen, dies war nur dort möglich, wo die Mohammedaner nicht herrschten. Sicher wird gerade bei der Auswahl der Stationen der Rat der Ordensmeister von besonderer Bedeutung gewesen sein, die natürlich über die stets wechselnde Situation und ihren augenblicklichen Stand genau unterrichtet waren. Das nächste größere Reiseziel war Beirut". Bei Peter Halfter kann man in seinem Artikel, "Eine Beschreibung Kilikiens aus westlicher Sicht. Das Itinerarium des Wilbrand von Oldenburg" lesen: "Auf der Reise nach Tripolis und Antiochia wird die Gesandschaft bei Johann von Ibelin, dem langjährigen Regenten des Königreiches vorgesprochen haben. Wilbrand beschreibt jedenfalls ausführlich die Ausstattung seines Palastzimmers in der Burg von Beirut". "Sie ist, berichtet Wilbrand, wie gesagt sehr fest. An der untersten Seite ist sie nämlich durch die See und einen hohen steilen Felsen gedeckt, an der anderen Seite umgibt sie ein ausgemauerter Graben von solcher Tiefe, daß wir in demselben mehrere Gefangene sahen, welche dort wie in einem tiefen Kerker versenkt waren. Über diesem Graben erheben sich zwei starke Mauern, auf denen zur Abwehr der Angriffe durch Sturmwerkzeuge sehr feste Türme stehen, in deren Fugen große Steine eingefügt sind, welche durch eiserne Klammern und feste Krampen mit dem Mauerwerke und untereinander verknüpft werden. In einem dieser Türme, welcher neu gebaut wird, sahen wir ein sehr schön verziertes Prunkgemach, welches ich nach Vermögen beschreiben will. Es ist von Grund aus fest und schön gelegen. Es gewährt von der einen Seite die Aussicht aufs Meer und auf die auf demselben hin- und herfah-renden Schiffe, an der anderen Seite erblickt man Wiesen, Obstgärten und sehr liebliche Anlagen. Der Fußboden ist zierlich mit Marmor ausgelegt, und zwar so, daß ein von leichten Winden bewegtes Wasser dargestellt ist, und zwar mit solcher Kunst, daß, wer diese Fläche betritt, durch die Flut zu waten scheint, während er doch in dem gleichfalls dort gemalten Sande auch nicht die leisesten Spuren seiner Füße zurückläßt. Die Wände des Gebäudes sind ringsum mit Marmortafeln ausgelegt, welche, auf das feinste gearbeitet, in überraschender Weise wie ver-schiedene Vorhänge anzusehen sind. Die Malerei der Decke stellt Luft dar, und zwar so täuschend, daß man meint, die Wolken ziehen einher, der Zephyr wehe und die Sonne bezeichne Jahre und Monate, Tage und Wochen, Stunden und Minuten durch ihre Bewegung im Zodialkurs.[... das hat etwas mit Astrologie zu tun]. In der Mitte des Palastes aber, gerade im Mittelpunkt, befindet sich eine mit Marmor der verschiedensten Art ausgelegte Zisterne. Vielfältiges Getäfel von Marmor ist nämlich so zusammengefügt, daß man, ohne anzustoßen, mit dem Daumen darüber hingleiten kann. Dies bietet den Blicken des Beschauers eine Fülle von Blumen in so unaussprechlicher Abwechslung dar, daß es nicht möglich ist, sie einzeln zu unterscheiden: Das Auge wird bald hier, bald dorthin gezogen und getäuscht. In der Mitte derselben liegt ein Drache. Es ist, als wenn er mit seinem offenen Rachen die Tiere, welche man zu seinen Füßen sieht, verschlingen will. Aus ihm strömt in reichster Fülle eine kristallhelle Quelle hervor, welche von oben herabfließt und die Luft, die von der schönen Reihe ringsumher befindlichen Fenster eingelassen wird, zur Zeit der Hitze feuchtet und abkühlt. Auch das Wasser selbst, welches überall in der Zisterne rauscht und in sehr kunstvolle Röhren sich verliert, lullt mit seinem schmeichelnden Gemurmel seine dasitzenden Herren in sanften Schlummer ein. Ich säße gern alle Tage da!" Zwei Tage wurde in Beirut gerastet, dann ging es weiter nach Byblos. In derselben Nacht kam man nach Batrun und weiter am Ras-esch-Schakka, einem Vorgebirge, vorbei. "Die Nacht muß furchtbar gewesen sein, es tobte ein sehr heftiger Sturm,"der uns Arme dort überfiel und hin- und herschleuderte". "Deswegen konnten die Reisenden auch von der an dem genannten Vorgebirge gewesenen Stadt [Enfe] nur wenig wahrnehmen. Nach kurzem Aufenthalt trieb sie der Sturm weiter, und man rechnete schon nicht mehr mit einem glücklichen Ausgang. Am Ufer hatte sich eine Menge Volk angesammelt, das den offenbar bevorstehenden Schiffbruch erwartete. Das Schicksal aber meinte es mit diesem so überaus bedeutsamen Schiffe gut. Was wäre aus der Politik der nachfolgenden Jahrzehnte geworden, wenn Hermann von Salza den Tod in den Wellen gefunden haben würde? So mag die Stadt Tarabulus [heute besser bekannt unter dem Namen Tripolis] ihnen ein ganz besonders ersehnter Hafen gewesen sein. Denn die zwei Meilen von Enfe bis Tripolis waren den Reisenden außerordentlich lang erschienen. Der reiche Bischofssitz gab ihnen die Möglichkeit, sich von den Schrecken der Seefahrt, die auch hier vorläufig ihr Ende fand, zu erholen". Damit soll dieser Bericht enden. Im nächsten Teil werden wir mit Hermann von Salza Syrien und die Türkei erleben.




Saida, ein Stich von D. Roberts / L. Haghe - aus einem Folder über Saida herausgegeben vom Ministerium für Tourismus des Libanon


Dieter Deubner Bad Langensalza 09.Januar 2005