Gedenktafel an die Belagerung der Dryburg durch Otto IV. im Jahre 1212. (Foto: D. Deubner)





Stadtrechteverleihung durch Otto IV. an Salzaha
{1212}

Beiträge zum Leben Hermann von Salzas - eines bedeutenden Langensalzaers - Teil 10

Das Jahr 1212, in dem Hermann von Salza im Auftrag Otto IV., wie bereits berichtet, etliche Länder im Orient besucht hatte, war auch an Deutschland und Europa nicht unbemerkt vorbei gegangen. In Ungarn begannen sich seine Ordensbrüder langsam einzurichten. So liegt aus dieser Zeit eine zweite Urkunde des ungarischen Königs Andreas II. für den Deutschen Orden vor. Darin befreit der König auf Bitten des Bruders Dietrich den Deutschen Orden in Siebenbürgen von Belästigungen durch (königliche) Münzbeamte, insbesondere beim Geldwechsel. Der Name des Hochmeisters Hermann von Salza erscheint auch in dieser Urkunde nicht. Willy Cohn schreibt dazu in seiner Biographie: "..., aber es scheint ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit dafür zu sprechen, daß Hermann von Salza nicht selbst die burzenländische Politik, die für den Orden ungünstig, begonnen hat." Und bemerkt weiter: "Es scheint mir auch auffällig, daß in der Verleihungsurkunde nirgends von dem Hochmeister die Rede ist. Es scheint durchaus nicht ausgeschlossen, daß bei den großen Entfernungen König Andreas im Augenblick der Ausstellung über die Person des Hochmeisters gar nicht im klaren war." Es ist jedoch anzunehmen, dass die Ordensritter, die in das Burzenland ritten, aus den in dieser Zeit bereits zahlreich bestehenden Kommenden in Deutschland , Böhmen und Österreich kamen. Da das Thema - Der Deutsche Orden im Burzenland - Hermann von Salza in den folgenden Jahren als Hochmeister dieses Ordens immer wieder beschäftigt hat, wollen wir uns jetzt den Geschehnissen des Jahres 1212 in Deutschland und besonders in Thüringen zuwenden. In den Wochen, in denen Hermann von Salza mit Wilbrand von Oldenburg und der kaiserlichen Gesandtschaft durch Zypern gereist war, kehrte Kaiser Otto IV. aus Italien zurück. Auf einem Hoftag in Frankfurt am Main sammelte er die ihm ergebenen Gefolgsleute und machte sich um die Erntezeit mit gesammeltem Heere zu einem Feldzug nach Thüringen auf. In der Chronik der Stadt Langensalza von G. und H. Schütz kann man lesen: "Nun zog Otto mit einem Heere nach Thüringen, um sich an dem Landgrafen Hermann und dessen Verbündeten zu rächen. Nachdem sein Truchseß Gunzelin die Städte Mühlhausen und Nordhausen eingenommen, er selber das Schloß Rothenburg erobert, zog er vor das Schloß Dryburg zu Salza." Carl Friedrich Göschel schreibt in seiner Chronik der Stadt Langensalza 1818: " Noch handelte Otto in Thüringen nicht anders denn als anerkannter römischer König, und weil die Herren von Salza dem Geiste ihrer Zeit gemäß die adeliche Sünde der Räuberey getrieben, und den Landfrieden nicht gehalten hatten, so geschah es, daß jetzto unter diesem Vorwande Dryburg belagert wurde. Die Feste ergab sich aber, weshalb Otto den Herren von Salza Gnade wiederfahren ließ, und noch dazu dem Dorfe Salza das Stadtrecht ertheilte." Das geschah um den 16. Juli 1212. Mit diesem Datum gibt es eine Urkunde Kaiser Ottos für das Johannishospital in Hildesheim, beurkundet bei der Belagerung Langensalzas am 16. Juli 1212. Wenn man weiß, dass zur gleichen Zeit Hermann von Salza mit dem Hildesheimer Domherrn Wilbrand im Auftrag dieses Kaisers durch Kleinarmenien und Zypern reiste, scheint es kein Zufall zu sein, dass die Feste Dryburg und das Dorf Salza nicht von Kaiser Otto zerstört worden sind. Salzungen und die Rothenburg bei Kelbra sowie am 30. Juli 1212 Weißensee haben da wesentlich mehr leiden müssen. Bei Göschel erfahren wir aber auch, dass "eben dieser König Otto, ein Welfe, des Löwens Sohn, welcher sich um unsere Stadt so hochverdient gemacht hat, ein Urenkel des kaiserlichen Ehepaars, Lothars des Sachsen und dessen Gemahlin Richezza" war, das sich große Verdienste um das Kloster Homburg erworben hatte. Das gleiche galt auch für seine Großeltern, Herzog Heinrich der Stolze und Gemahlin Gertrude. Ob die Urgroßeltern und Großeltern jedoch große Freude an ihrem kaiserlichen Spross gehabt hätten, ist sehr fraglich. Kaiser Otto war zwischen der Eroberung Salzas und der Zerstörung Weißensees mal schnell nach Nordhausen gezogen, um am 22. Juli dieses Jahres das Beilager mit seiner jetzt vierzehnjährigen Braut Beatrix der Älteren zu vollziehen. Er hatte am 24. Mai 1209 in Würzburg die Tochter des 1208 ermordeten Stauferkönigs Philipp von Schwaben geheiratet, um die mit den Staufern verbundenen Fürsten auf seine Seite zu ziehen. Und am 11. August 1212 war Kaiserin Beatrix ganz plötzlich verstorben, sodass Kaiser Otto wieder nach Nordhausen musste, um dort an den Exequien für seine staufische Gemahlin teilzunehmen. Mit Exequien ist das Totengeleit für einen Verstorbenen gemeint. Margot Boger, eine Schriftstellerin aus unserer Nachbarstadt Mühlhausen, ein Nachruf war im vergangenen Jahr im Magazin "Moment." zu lesen, hat in ihrem 1935 erschienenen Roman "Der große Vagant" dieses Ereignis dargestellt: "Dietrich stürmt herein. ... Weiß das der Meister [Walter von der Vogelweide] noch nicht? - Gemordet wurde Beatrix, die vierzehnjährige Kaiserin, das holde Kind. Wie ein Engel schönster leuchtete sie im weißen Brautschmuck. Die glücklichste Gattin schien sie werden zu wollen, denn noch immer hing sie mit junger Schwärmerei an dem kühnen Welfen. Nun ist sie tot. - Der Ritter hat sich an die Wand gelehnt. Die Augen hält er geschlossen. Tief bohrt er die Fingernägel in die verkrampften Hände. ... Dietrich berichtet hastig weiter: Man beschuldigt den Welfen nicht, den Tod auf dem Gewissen zu haben. Wahrscheinlich hat eine seiner Buhlinnen einen giftigen Trank bereitet. Duldete er es doch, daß die Teufelinnen der Hochzeit beiwohnten. ..." Ob das so war, ist schwer zu sagen. Die Geschichtsschreibung hat diesem Ereignis wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Vorstellbar war es ganz sicher. Damit begann aber auch der stetige Abgang Kaiser Otto IV.. Sein Nachfolger, Friedrich II., war schon auf dem Vormarsch. Er zog im September 1212 in Konstanz ein und, wie die Legende erzählt, nur wenige Stunden vor Otto IV., der wieder abziehen mußte. Doch müssen wir uns erst einmal wieder Hermann von Salza zuwenden. Dieser wird von den Ereignissen in Deutschland auf seiner Reise durch Cypern sicher noch nichts erfahren haben. Man hatte ja drei Wochen in Famagusta auf günstigen Wind gewartet. Wilbrand berichtet dann, "daß die Überfahrt nach Palästina wiederum recht strapaziös war, und vom Sturm geplagt landete man in Akkon. Hier begann nun die eigentliche Pilgerfahrt." Adolf Koch gibt das Ende der Cypernreise etwas anders wieder: "Nachdem sie die Insel durchwandert und in Famagusta drei Wochen lang auf günstigen Wind gewartet hatten, betraten sie nach beschwerlicher Seefahrt und einer fast einjährigen Abwesenheit Akkon wieder." Im September 1211 war die Reisegesellschaft aufgebrochen. So muss sie etwa im August 1212 wieder in Akkon gewesen sein, um die bereits erwähnte Pilgerfahrt anzutreten. Diese Pilgerfahrt durch das Heilige Land kann nur wenige Wochen gedauert haben. Wilbrand von Oldenburg ist jedenfalls bereits Ende 1212 wieder in Deutschland. Und er wird ja auch noch etliche Wochen bis dorthin benötigt haben. Sicher hatten sich die Veränderungen im Deutschen Reich im Heiligen Land herum gesprochen. Mit der Unterstützung des Papstes Innozenz III. verdrängte Friedrich II. den bisherigen Kaiser Otto IV., den Auftraggeber von Wilbrand von Oldenburg. Auch aus der bei Willy Cohn beschriebenen Reiseroute dieser Palästina-Rundreise kann man die Eile der Reisegesellschaft erkennen. Von Akkon aus, wo man sich sicher erst etwas erholt haben wird und Hermann von Salza von seinen Ordensbrüdern über die dortigen Geschehnisse informiert wurde, besuchte man Haifa sowie Kapernaum am See Genezareth. Über Caesarea und Arsuf kamen die Pilger nach Jaffa. Bei Arsuf hatte vor einundzwanzig Jahren Richard Löwenherz den Sultan Saladin in einer großen Schlacht geschlagen, worauf alle Kreuzfahrer noch immer sehr stolz waren. Jaffa, heute ein Stadtteil von Tel Aviv, der Hauptstadt des Staates Israel, war im 13. Jahrhundert eine sehr bedeutende Hafenstadt in Palästina. Die nächsten Orte, die von der Pilgergruppe auf dem Weg nach Jerusalem besucht wurden, waren Ramle und Bet-Nuba. Ramle, in der Zeit Hermann von Salzas von den Sarazenen zerstört, ist im Jahre 1900, am 7. Mai, von Karl May auf einer Reise durch Kleinasien besucht worden. Der Ort Bet-Nuba hat zu den 4 Dörfern in der Westbank gehört, die 1967 von israelischen Truppen völlig zerstört worden sind. Willy Cohn schreibt dann weiter: "Am nächsten Tage, dem glücklichsten im Leben Wilbrands, wie er schreibt, erschienen die Höhen von Jerusalem, die man bestieg. - Mit Sonnenaufgang erhob sich denn das ersehnte Jerusalem vor unseren Blicken. Da ergriff uns eine solche Freude, ein solches Staunen, daß wir das himmlische Jerusalem selbst zu schauen glaubten.-" Nach dem Besuch der Heiligen Stadt, Wilbrand beschreibt eingehend den Zustand der Heiligen Stätten, ging es dann weiter in östlicher Richtung nach el Azarije, dem neutestamentlichen Bethanien, dem Wohnort des biblischen Lazarus. Dann wurde Jericho am Jordan besucht. Das biblische Jericho ist heute eine Oase mit 7000 Einwohnern. Sie liegt ca. 260 m unter dem Meeresspiegel und ist damit die tiefstgelegene Stadt der Welt. Die damaligen Pilger erhofften durch ein Bad im Jordan auch eine innere Reinigung zu erhalten. Wilbrand lässt uns daran teilhaben: "Darum hofften wir dann auch, daß das Fleisch unseres inwendigen Menschen wieder hergestellt und gereinigt würde, und stiegen hinab in den Jordan, uns zu baden; die Araber aber trübten, uns verhöhnend, Fluss und Bad, indem sie allerlei Schmutz in denselben warfen.". Dieses sicher sehr unangenehme Ereignis muss dem weit gereisten Wilbrand nicht gut bekommen sein. An dieser Stelle bricht der Bericht des Wilbrand von Oldenburg ab. Und damit muss auch die große Reise Hermann von Salzas ihr Ende gefunden haben. Auf ihn warteten in Akkon sicher neue Aufgaben seiner Gemeinschaft, über die im nächsten Teil berichtet wird.




Der Felsendom in Jerusalem war zur Zeit Hermann von Salzas schon über 500 Jahre alt. (Foto: M. Hiebl)


Dieter Deubner Bad Langensalza 04.März 2005